LG Frankfurt zu KI-Fehlzitaten vor Gericht [Sep 2025]
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Die jüngste Entscheidung des LG Frankfurt (Beschl. v. 25.09.2025, 2-13 S 56/24) ist kein Argument gegen den Einsatz von Künstlicher Intelligenz, sondern ein klares Plädoyer gegen deren unkritische Nutzung. Das Gericht beanstandete explizit, dass der Prozessbevollmächtigte die Ergebnisse einer KI ungeprüft übernommen und damit eine unzureichende Tool-Kompetenz offenbart hatte. Entscheidend war dabei folgender Punkt: Die Richter:innen befragten selbst mehrere KI-Systeme und erhielten korrekte, existente Quellen sowie die zutreffende Rechtsauffassung. Der Fehler wäre mit einem sorgfältigen anwaltlichen Prüfprozess also vermeidbar gewesen.
KI ist ein leistungsstarkes Werkzeug zur Steigerung von Qualität und Effizienz – vorausgesetzt, sie wird professionell eingesetzt. Nachfolgend finden Sie die entscheidenden Regeln, die jede Kanzlei sofort implementieren kann.
Grundregeln der anwaltlichen Sorgfalt beim KI-Einsatz
- Zitate nur nach Verifikation in der Primärquelle übernehmen. Jede Fundstelle, jedes Aktenzeichen, Datum und jede Kernaussage muss im Original (z. B. amtliche Sammlung, juris, Beck-Online, Dejure) gegengelesen werden. Erst danach darf zitiert werden – insbesondere bei wörtlichen Zitaten in Anführungszeichen.
- KI-Ergebnisse systematisch verifizieren und dokumentieren. Jedes von einer KI generierte Ergebnis erfordert einen dokumentierten Verifikationsprozess. Ein Vermerk wie "Quelle geprüft am [Datum] via [Link/DB] durch [Kürzel]" ist unerlässlich.
- Die Grenzen der Technologie verstehen. Allgemeine Chatbots sind keine juristischen Fachdatenbanken. Sie können halluzinieren und haben keinen Zugriff auf Inhalte hinter Paywalls. Die Eigenrecherche in Kommentaren und Datenbanken bleibt anwaltliche Kernpflicht.
- Präzision im Prompting zur Fehlerreduktion. Formulieren Sie präzise Anfragen (Gericht, Norm, Zeitraum, konkrete Streitfrage). Fordern Sie die KI auf, explizit "keine Quelle gefunden" zu antworten, anstatt ungesicherte Vermutungen zu liefern.
- Das Berufsrecht bleibt maßgeblich. Die anwaltliche Sorgfalts- und Wahrheitspflicht (§ 138 ZPO, § 43a BRAO) gilt uneingeschränkt. KI entbindet nicht von der persönlichen Verantwortung für den Inhalt von Schriftsätzen. Erfundene Fundstellen sind und bleiben ein schwerwiegender Verstoß.
Die 7 entscheidenden Regeln für den KI-Einsatz im Kanzleialltag
- Grundsatz: Keine Übernahme ohne Verifikation. Quellen werden ausnahmslos im Original geprüft. Unbestätigte Zitate oder Fundstellen werden nicht verwendet.
- KI als Assistent:in, nicht als Autor:in. Nutzen Sie KI zur Strukturierung von Argumenten, zur Verbesserung der sprachlichen Klarheit oder zur Entwicklung von ersten Ideenskizzen. Rechtsauffassungen, Zitate und juristische Schlussfolgerungen übernehmen Sie erst nach eingehender eigener Prüfung.
- Kontrollierte Dialogführung durch präzise Prompts. Beispiel für einen sicheren Prompt: "Recherchiere Entscheidungen des BGH zur Haftung bei fehlerhafter Software-Implementierung nach 2020. Nenne ausschließlich Urteile mit Aktenzeichen, Datum und Fundstelle (z. B. NJW). Wenn keine verlässliche Quelle gefunden wird, antworte mit 'Keine verlässliche Quelle'. Zitiere Leitsätze wörtlich und gib exakte Fundstellen an."
- Implementierung einer "Red Flag"-Checkliste vor Einreichung. Stellen Sie sich vor der Finalisierung eines Schriftsatzes diese Fragen:
- Enthält der Text ungewöhnlich präzise Zitate ohne eindeutige Quellenangabe?
- Gibt es Stilbrüche oder inkonsistente Formatierungen?
- Wirkt eine Argumentation "zu gut, um wahr zu sein"?
- Vertraulichkeit und Datenschutz zwingend gewährleisten. Speisen Sie keine Mandant:innendaten in offene, öffentliche KI-Systeme ein. Nutzen Sie ausschließlich anonymisierte Daten oder professionelle, sichere KI-Umgebungen, die den datenschutzrechtlichen Anforderungen genügen.
- Dokumentation der Prüfprozesse. Protokollieren Sie kurz und nachvollziehbar die Prüfschritte: Wer hat was wann und mit welcher Quelle verifiziert? Dies schafft Revisionssicherheit gegenüber Gerichten und Mandant:innen.
- Gebot der Fortbildung: Technologiekompetenz als Teil der Anwaltspflicht. Technisches Verständnis ist heute eine anwaltliche Kernkompetenz. Interne Leitlinien und Kurzschulungen zu "KI-Do's & Don'ts" reduzieren das Fehlerrisiko massiv.
Ein praxiserprobter 5-Minuten-Workflow: Von KI-Output zu gerichtsfestem Vortrag
- Anfrage präzisieren: Konkrete Norm, Streitfrage und relevanten Zeitraum definieren.
- KI-Ergebnis als Arbeitshypothese behandeln: Den Output niemals als finales Ergebnis, sondern als ersten Entwurf betrachten.
- Primärquellen recherchieren: Die genannten Quellen in juristischen Fachdatenbanken (juris, Beck-Online etc.) aufrufen.
- Inhalte abgleichen: Zitate, Leitsätze und Kernaussagen Wort für Wort mit der Originalquelle vergleichen.
- Prüfung dokumentieren: Quelle, Datum der Prüfung und Prüfer:in im Dokument vermerken.
- Finale Freigabe: Erst nach dieser menschlichen Prüfung erfolgt die Übernahme in den Schriftsatz.
"Sollten wir wegen solcher Fälle nicht lieber auf KI verzichten?"
Nein. Hier sind belastbare Argumente für Ihr Team und Management:
- Qualitätssteigerung: KI kann Recherchekorridore aufzeigen, die sonst übersehen würden, und liefert wertvolle Gegenargumente – unter der Voraussetzung menschlicher Kuration und Steuerung.
- Effizienzgewinn: Ein erster strukturierter Entwurf kann in Minuten erstellt werden. Die so gewonnene Zeit fließt direkt in die Vertiefung der Argumentation und die sorgfältige Prüfung.
- Prozesstransparenz: Mit klaren Regeln (Prompt-Standards, Prüfprotokolle) wird die juristische Arbeit nachvollziehbarer und standardisierter als zuvor.
- Risikominimierung: Viele Fehler in Schriftsätzen entstehen heute durch Zeitdruck und unreflektiertes Copy-Paste aus anderen Dokumenten. Ein Prozess, der KI mit einem stringenten Prüfprotokoll kombiniert, senkt dieses Risiko nachweislich.
Wie Pylehound Sie dabei unterstützt
Pylehound ist ein juristisches KI-Werkzeug, das den Fokus auf Nachprüfbarkeit und anwaltliche Kontrolle legt. Unsere Software unterstützt Sie aktiv dabei:
- Quellennachweise konsequent zu validieren,
- Unsicherheiten der KI explizit zu kennzeichnen und
- den menschlichen Prüf-Workflow (Verifikation und Freigabe) nahtlos abzubilden.
So bleibt die anwaltliche Entscheidungshoheit zu jeder Zeit gewahrt. KI liefert die fundierte Zuarbeit, Sie verantworten das Mandatsergebnis.
Das Urteil des LG Frankfurt ist kein Votum gegen KI, sondern ein Plädoyer für anwaltliche Professionalität im Umgang damit. Wer prüft, dokumentiert und technologisch kompetent entscheidet, nutzt KI sicher – und verschafft sich einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil.