Die neue Realität in der Rechtsberatung - KI ist angekommen
Ein Mandant erstellt seinen Mietvertrag in zwei Minuten mit ChatGPT. Ein anderer lässt sich arbeitsrechtliche Klauseln von einer KI formulieren. Was vor wenigen Jahren undenkbar war, ist heute Alltag – und viele Kanzleien merken es erst, wenn die Mandate ausbleiben.
Wolfgang Richter, erfahrener Anwalt und Managing Partner von gunnercooke Germany, bringt es auf den Punkt: „Wir haben bereits eine Menge honorarfähiger Tätigkeiten verloren, weil Nicht-Anwälte die nun verfügbaren Mittel nutzen, um typisch anwaltliche Themen selbst zu bearbeiten."
Die Geschwindigkeit der Veränderung verstehen
Die juristische Digitalisierung hat sich dramatisch beschleunigt. Während Beck-Online 2001 noch über zwei Jahrzehnte brauchte, um die Rechtsrecherche zu revolutionieren, benötigte ChatGPT nur drei Monate, um das US-amerikanische Anwaltsexamen zu bestehen – und das unter den besten 10 Prozent der Absolventen.
Diese Entwicklung stellt mittelgroße Kanzleien vor eine klare Entscheidung: Weitermachen wie bisher und das Feld anderen überlassen – oder aktiv die Chancen nutzen, die sich bieten. Die gute Nachricht: Sie müssen nicht zur Tech-Kanzlei werden. Es geht darum, bewährte juristische Qualität mit modernen Werkzeugen zu verbinden.
Konkrete Vorteile für Ihre tägliche Arbeit
Stellen Sie sich vor: Eine 1.500-seitige Gerichtsakte liegt vor Ihnen. Statt Stunden mit der Durchsicht zu verbringen, erhalten Sie auf Knopfdruck eine strukturierte Argumentationsskizze für Ihre Klageerwiderung. Oder die klassische M&A-Transaktion: 300 Dokumente müssen geprüft werden. Die KI identifiziert in Minuten kritische Passagen, fehlende Unterlagen und Risiken – vollständig referenziert und nachvollziehbar.
Ein praktisches Beispiel aus der Praxis: Wolfgang Richter nutzte ein KI-Tool für eine Rechtsstreitigkeit über 1.500 Euro. Das Ergebnis? „Mit diesem Hilfsmittel hätte ich 90 Prozent meines Rechercheaufwandes gespart", berichtet er. Die KI fand relevante Urteile und Argumente, die er bei seiner manuellen Beck-Online-Suche übersehen hatte – etwa zur Frage, wann konkludentes Handeln keinen Vertragsschluss darstellt.
Der entscheidende Punkt: Die Kontrolle bleibt bei Ihnen. Sie prüfen, bewerten und entscheiden. Die KI übernimmt die zeitintensive Vorarbeit – präzise, verlässlich und nachvollziehbar.
Der richtige Zeitpunkt ist jetzt
Die Frage ist nicht mehr, ob KI in der Rechtsberatung ankommt – sie ist bereits da. Ihre Mandanten nutzen sie. Ihre Wettbewerber beginnen damit. Die Entscheidung liegt bei Ihnen: Gestalten Sie den Wandel aktiv mit oder lassen Sie sich von ihm überrollen.
Beginnen Sie mit kleinen Schritten. Testen Sie KI-Tools bei der nächsten umfangreichen Aktenanalyse. Nutzen Sie die Technologie für die Recherche, bevor Sie selbst in die Tiefe gehen. Bauen Sie Schritt für Schritt Kompetenz auf – nicht als Ersatz für juristische Expertise, sondern als deren moderne Ergänzung.
Die Zukunft gehört Kanzleien, die exzellente juristische Arbeit mit intelligenten Werkzeugen verbinden. Kanzleien, die ihren Mandanten zeigen können: Wir verstehen nicht nur das Recht – wir arbeiten auch so effizient und modern, wie Sie es erwarten.
Transkript des Videos
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Wolfgang Richter
Ein Nicht-Arbeitsrechtler könnte ChatGPT anweisen, einen arbeitsrechtlichen Entwurf zu erstellen und diesen in zwei Minuten prüfen. Wir hingegen bearbeiten unsere Fälle noch auf die klassische anwaltliche Weise: Wir nutzen die Schlagwortsuche für bestimmte Themen und greifen ansonsten auf Formularhandbücher oder unsere eigenen Vorlagen zurück.
Wenn ich jedoch einen Laien frage, was sich für ihn verändert hat, lautet die Antwort: „Wenn ich einen Mietvertrag brauche, lasse ich ihn einfach von ChatGPT erstellen und verwende ihn.“ Auf meinen Hinweis, dass der Vertrag rechtlich nicht einwandfrei sein könnte, erwidert er: „Er liest sich super, den nehme ich. Warum sollte ich dafür einen Anwalt bezahlen?“ Er erkennt also nicht, dass Details fehlerhaft sein könnten. Das bedeutet, dass wir als Anwaltschaft bereits eine Menge honorarfähiger Tätigkeiten verloren haben, weil Nicht-Anwälte die nun verfügbaren Mittel nutzen, um typisch anwaltliche Themen selbst zu bearbeiten.
Die interessante Frage ist, wie es nun weitergeht. Wir haben zwei Möglichkeiten: Wir können als Anwälte, in Rechtsabteilungen oder bei Gerichten so weitermachen wie bisher und das Feld der Technologie und ihren Anbietern überlassen. Oder wir können aktiv mitmachen. Wir können prüfen, wie wir KI in unseren internen Abläufen einsetzen und wie wir die Technologie nutzen können, um unseren Mandanten neue Beratungsangebote zu machen.
Dabei sehe ich drei Stufen:
- Analyse: Zuerst müssen wir unsere eigenen Daten analysieren und mithilfe von KI schnell und effektiv die relevante Rechtsprechung, beispielsweise des BGH, auswerten können.
- Strukturierung: In der zweiten Stufe verwenden wir diese Ergebnisse und bringen sie in automatisierte, strukturierte Abläufe (Stufe 1, 2, 3, 4).
- Neue Dienstleistungen: In der dritten Stufe nutzen wir diese Fähigkeiten, um auf Mandanten zuzugehen und zu sagen: „Sie möchten Ihre Mietverträge, Ihren M&A-Deal oder Ihre Liquidation organisieren? Wir machen das gemeinsam mit Ihnen – in einer Kombination aus Technologie, die Sie bei sich im Unternehmen integrieren, und den Dienstleistungen, die wir anbieten.“
Heute hören wir, wie die erste Stufe bearbeitet werden kann, mit einem Ausblick auf die zweite. Wir wollen auch darüber sprechen, wie die Zukunft in verschiedenen Formaten aussieht und wie wir damit umgehen können.
Dominik Raute
Ein kurzer Zeitsprung: 2001, ein Jahr, das sehr lange her ist, startete mit Beck-Online die erste große juristische Datenbank im Web. Sie holte die Recherchearbeit von Juristen aus dem staubigen Keller an den Rechner. Das war ein riesiger Fortschritt, wenn man bedenkt, dass Facebook erst 2005 startete. Ein Jahr später folgte RA-MICRO mit der ersten digitalen Akte. Viele, wie DATEV, kamen später hinzu. Dies war die Zeit, in der die Mandatsarbeit vom Aktenschrank in die digitale Akte wanderte. 2016 ging das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) live.
2022 erschien dann ChatGPT – von den meisten Juristen zunächst ignoriert. Doch dies war das erste KI-Tool, das jeder bedienen konnte.
Dieser erste Zeitstrahl umfasste 24 Jahre. Der nächste umfasst nur 24 Monate:
- Drei Wochen nach dem Start hatte ChatGPT bereits eine Million Nutzer – der schnellste Rollout eines IT-Tools aller Zeiten.
- Drei Monate später bestand GPT-4 als erstes großes Sprachmodell das US-amerikanische Anwaltsexamen und gehörte zu den besten 10 % der Absolventen. Das hat viele schockiert.
- Weitere fünf Monate später zeigten Benchmarks, dass Sprachmodelle das technische Handwerkszeug besitzen, um anwaltliche Arbeit zu unterstützen und dem durchschnittlichen Anwalt bei Detailarbeiten Konkurrenz zu machen.
Seitdem hat sich technisch enorm viel getan. Die EU hat begonnen, den Bereich zu regulieren. Vor zwei Monaten wurde Gemini 1.5 Pro veröffentlicht, das im aktuellen Benchmark den Spitzenplatz im juristischen schlussfolgernden Denken („Reasoning“) einnimmt. Das ist einer der Gründe, warum wir es für unsere Software nutzen. All das bedeutet: Die juristische Arbeit verändert sich.
Dr. Franka Becker
Stellen Sie sich eine 1.500 Seiten starke Gerichtsakte vor. Mit einem Klick erhalten Sie eine Argumentationsskizze für Ihre Klageerwiderung. Oder denken Sie an den Abend vor einer Verhandlung: Sie können sich schnell einen Überblick verschaffen, um am nächsten Tag im Gericht die Argumente solide vorzutragen. Mit unserem Tool ist das mit wenigen Klicks möglich. Sie können filtern, wer die Parteien waren, was die wichtigen Daten und Beweismittel sind – alles in Sekundenschnelle auf Knopfdruck.
Ein weiteres Beispiel sind M&A-Transaktionen. Anstatt 300 Dokumente manuell zu öffnen und zu durchsuchen, sagt Ihnen das Tool auf Knopfdruck, welche Passagen wichtig sind, was fehlt oder was risikoreich ist, und erstellt eine Übersicht. Das spart Zeit und minimiert Risiken.
Oder die Situation mit einer internen Richtlinie: Dank der Anbindung an Gemini und das Internet können Sie externe Rechtsquellen durchsuchen und gleichzeitig Informationen aus internen Dokumenten heranziehen. So kombinieren Sie das Beste aus beiden Welten – strukturiert, referenziert und zusammengefasst.
Und wenn eine Behördenanfrage eingeht, ist das kein Problem mehr. Auf einen Klick haben Sie die gewünschten Dokumente parat. Das gilt nicht nur für den Datenschutz, sondern auch für technische Produktangaben oder Finanzthemen. Alles ist an einem Ort und mit klaren Zitaten versehen. Der entscheidende Faktor ist, dass Sie in diesen Situationen Kontrolle und einen Überblick über das aktenlastige, chaotische Umfeld bekommen, mit dem wir täglich zu tun haben.
Dominik Raute
Datensicherheit und Datenschutz sind für Sie alle wichtig. Wir trainieren unsere Modelle nicht mit Ihren Daten und erfüllen Standards wie EU-DSGVO und SOC 2. Die Akte wird intelligent. Wir binden viele Datenquellen von Juristen für Juristen ein und arbeiten mit einer großen Testbasis zusammen, um juristische Arbeit besser, schneller und effektiver zu machen.
Es geht hier nicht mehr nur um die Stichwortsuche, wie sie Beck seit Kurzem als semantische Suche anbietet. Es geht darum, Intelligenz in die Datenquellen zu bringen, auch wenn extern recherchiert werden muss. Dafür nutzen wir aktuell die beste KI auf dem Markt.
Wolfgang Richter
Ich habe hier nun alle Daten zu meinem Fall und stelle eine vorbereitete Folgefrage: „Fasse die Argumente zusammen, warum kein Vertrag zustande gekommen ist, mit Hinweis auf die Fundstellen.“ Das System arbeitet und liefert das Ergebnis.
Es wird korrekt wiedergegeben, dass der angebliche Vertrag aus dem Jahr 2013 keinen Bezug zu meiner Person hatte, und es wird auf die entsprechenden Stellen verwiesen. Auch die Argumentation der Gegenseite, der Telekom, wird korrekt dargestellt. Anschließend wird die Beweisfrage erörtert. Alle Argumente, die in meinen Schriftsätzen genannt wurden, sind korrekt aufgeführt.
Nun lasse ich mir die Argumente der Gegenseite anzeigen. Auch diese werden übersichtlich dargestellt. Ich kann den Text einfach kopieren und in ein Word-Dokument einfügen, um die gesamte Argumentationslinie zu sehen. Hier wird aufgeführt, warum die Gegenseite von einem Vertragsschluss ausgeht, etwa durch die jahrelange Duldung von Lastschriften.
Als Nächstes stelle ich die Frage: „Unter welcher Maßgabe wird ein Vertrag durch konkludentes Handeln, etwa durch Zahlung, abgeschlossen?“ und starte eine Suche im Internet. Das System liefert relevante Punkte zum Thema „schlüssiges Verhalten als Willenserklärung“ und bezieht diese auf den konkreten Fall.
Dann habe ich nach Fundstellen aus Urteilen gefragt, die belegen, dass konkludentes Handeln nicht zwingend zu einem Vertragsabschluss führt. Hier wurde es für mich wirklich spannend, denn es wurden Urteile zitiert, die ich in meiner vorherigen Beck-Online-Suche in dieser Klarheit nicht gefunden hatte. Zum Beispiel, dass ein Rechtsbindungswille klar erkennbar sein muss. Eine Zahlung in dem Glauben, es gäbe einen Vertrag, stellt ebenso wenig eine Willenserklärung dar wie die bloße Duldung einer Abbuchung. Diese beiden Argumente hatte ich bei meiner Recherche übersehen. Zwar ging es nur um 1.500 Euro, aber ich wollte es aus Prinzip richtig machen.
Mit diesem Hilfsmittel hätte ich 90 % meines Rechercheaufwandes gespart. Erstaunlich war für mich die Tiefe, mit der Gemini die juristischen Themen erfasst hat. Natürlich muss man die zitierten Urteile noch prüfen, ob sie wirklich existieren und passen. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass sie stimmen, ist sehr hoch.
Für mich bedeutet das: Ab jetzt werde ich bei jeder Tätigkeit, die mit der rechtlichen Bewertung von Dokumenteninhalten zu tun hat, zuerst dieses Tool einsetzen. Das ist der erste Schritt, den ich mache, bevor ich überhaupt anfange, selbst nachzudenken. Erst wenn ich dieses Ergebnis habe, beginne ich mit meiner eigenen Analyse und überlege die nächsten Schritte.
Dominik Raute
Dieser Zitat-Scan ist das Kernstück unserer Arbeit. Aktuell ist die Darstellung noch rudimentär als einfache Liste. In der nächsten Version arbeiten wir an einem richtigen Code-Browser. Wenn ich beispielsweise nach „Environmental, Sustainability und Innovation Patterns“ suche, zeigt das Tool nicht nur einen Text an, sondern listet auf, welche Dateien Treffer enthalten, zeigt die Zitate im Kontext davor und danach an und bewertet, wie gut das Zitat zur Anfrage passt – inklusive einer Begründung.
Weiter geht es mit meinem Lieblingsfeature. Ich kann eine Frage stellen wie: „Welche Voraussetzungen gelten für eine Mietminderung bei Schimmelbefall in der Wohnung?“ Damit kann ich meinen eigenen Datenkorpus oder das Internet durchsuchen. Ich kann aber auch unsere neue Funktion „Research Agents“ aktivieren. Hier bin ich in meinem Juris-Testaccount eingeloggt. Die Frage wird automatisch in verschiedene Suchanfragen umgewandelt, diese werden ausgeführt, und die relevanten Dokumente werden heruntergeladen und in die Akte integriert. Am Ende erhalte ich eine Antwort mit vollständig zitierten Urteilen aus den Quellen, die ich ausgewählt habe.
Dieser Artikel basiert auf unserem Video PyleHound Anwalts-KI Launch Event (2. Juni 2025) und wurde mit maschineller Unterstützung erstellt.